In einem seiner Dramen lässt J.
P. Sartre seinen Helden die Worte aussprechen, die den Umfang der gegenwärtigen
Diskussion über die Freiheit abstecken: „Es ist ein großer Geheimnis der
Götter, dass die Menschen frei sind”. Heute ist hervorzuheben, dass dieses
Geheimnis den Göttern entrissen wurde. Wie es so um Geheimnisse bestellt ist,
die Kunde davon verbreitet sich sehr schnell. Der moderne Mensch weiß bereits,
dass er frei ist und damit verknüpft er den Sinn seines Seins. Doch nicht jeder
verträgt die Belastung durch die Freiheit, nicht jeder sieht die daraus
entspringende Verantwortung, und nicht jeder versteht auch, was Freiheit ist.
Antworten
der Kultur auf die Probleme mit Freiheit gibt es viele. Einerseits ist das der
Fundamentalismus, der am extremsten die Umgehung der Ängste, die mit der
Freiheit verbunden sind, erleichtert. Andererseits liefert der Relativismus als
Negation der Wirklichkeit und das Verfallen in die Gleichgültigkeit eine andere
Antwort. Eben mit der Freiheit hat die moderne Kultur ihr Schicksal an
stärksten verbunden. Wenn wir unser Augenmerk der Umgangssprache, der
Diskussion in Medien zuwenden, ist leicht zu erkennen, dass der Begriff
„Freiheit“ sehr oft als die grundlegende Kategorie erscheint, welche die
moderne Kultur charakterisiert. Dieser Begriff verdrängt die noch nicht so
alten Kategorien der „Wahrheit“ und des „Guten“: die veritale Epoche verwandelte sich auf diese Art und
Weise in die liberale. In der ersten davon war das Schicksal der
Kultur um die Wahrheit und das Gute konzentriert, sie selbst dagegen war mit
den Werten höheren Ranges gesättigt. In der zweiten Epoche bleibt bereits nur
die Freiheit, die sich oft das Recht auf Vertretung aller Werte usurpiert. Es
scheint, dass, wenn wir das erstgenannte verlieren, bleibt uns nur die
Kategorie der „Freiheit” übrig, um die sich die moderne Kultur organisiert. Und
– paradoxerweise – je weniger darin der Wahrheit und des Guten, umso mehr (so
scheint es) Freiheit muss es geben. Solch eine Überzeugung von „mehr Freiheit”
wird geradezu zur Forderung des modernen Menschen. Wir setzen auf Freiheit,
wenn wir nicht mehr auf die Wahrheit und das Gute setzen können. Sie eben (wenn
die anderen fehlen) wird zur einzigen menschlichen Kategorie, die unsere Würde
zu bezeugen anfängt. Es ist jedoch zu fragen: ist das gerecht? Oft meint man,
dass es genügt (und man muss) nur frei zu sein, um wirklich Mensch zu sein.
Wenn der Mensch auch sie einbüßt, büßt er sich selbst ein. Daher auch jene
verzweifelte Verteidigung der Freiheit und gleichzeitig Angst und Schrecken
davor. Vielen scheint es, dass das schon die letzte Grenze ist, die man nicht
überschreiten darf: Verteidigung der Freiheit ist Verteidigung der
Menschlichkeit. In alldem gelangen zu uns immer häufiger Fragen: kann man denn
frei sein ohne Wahrheit und Guten? Sind die Bemühungen beim Schützen der
Freiheit nicht von vorne herein zu Misserfolg verurteilt, wenn das Gute und
Freiheit fehlen? Und vielleicht sollen wir nicht die Freiheit schützen, sondern
beharrlich nach Wahrheit und dem Guten suchen?
Wenn
man die Freiheit verabsolutisiert und vergisst, dass sie der Realisierung
anderer Werte dienen soll, wird auch zu einer großen Gefährdung für unsere
Welt. Die von der Wahrheit und dem Guten losgelöste, des Sinnes beraubte
Freiheit hört auf, Quelle unseres Handelns und des Bewusstseins des Seins zu
sein, wird lediglich zur Art und Weise der Selbstafirmation des Individuums.
Anstatt „auf den Weg” der Werte und des Sinnes einzuführen, verführt sie uns
oft auf die Irrewege der Willkür.
*
Die in diesem Band gesammelten Texte
wurden auf der IV. Interdisziplinären Konferenz Probleme der modernen Kultur präsentiert. Die Konferenzen,
die seit einigen Jahren vom Institut für Politologie und Institut für
internationale Beziehungen der Nikolaus-Kopernikus-Universität in Toruñ
veranstaltet werden, haben zur Aufgabe die Analyse der wichtigsten Probleme der
modernen Kultur. In der zweiten Folge dieser Konferenz wurde eben die Freiheit
zu deren Interessengebiet. Immer häufiger nämlich wird für den Menschen der
modernen Kultur der Schein der absoluten Unabhängigkeit („ich kann machen was
ich will”) zum Grundsatz und Sinn des Lebens. Dies führt zum scheinbaren Kampf
um Freiheit, von der man nur glaubt, dass der Mensch nur jenseits der
Relationen, Verknüpfungen usw. frei sein kann. Andererseits finden die Anhänger
der Einschränkungen und Zwänge – indem sie eine solche Freiheit beobachten, die
auf Möglichkeit des Wollens und Möglichkeit der Tat eingeschränkt ist, und
indem sie darin den Unsinn der Willkür sehen - ein leichtes Argument zugunsten
dessen, dass Freiheit die Sicherheit, das Vertrauen, Geborgenheit zerstört und
zum Chaos führt, sowie den Menschen sich selbst überlässt. Sie wollen den
Menschen solch eine Freiheit abgewöhnen, und damit Willkür und Selbstherrschaft
verhindern, indem sie darin Hindernis und Gefährdung für den Menschen, Kultur
und die Welt sehen. Doch diese Diskussionen und Streitgespräche entstehen, um
die Mystifizierung der Freiheit, die sich in deren Erörterung, jenseits der
Relationen, Verknüpfungen ausdrückt und in deren durch und durch realistischen
Verständnis äußert. Eine der Aufgaben dieser Konferenz war die
Wiederherstellung des eigentlichen Raumes der Diskussion über die Freiheit: es
handelt sich um die Welt der Relationen. Denn die Freiheit enthält in sich
immer eine Relation.
Es gibt viele Argumente, die für die Notwendigkeit der
„Rückkehr“ zum Problem sprechen. Nennen wir nur zwei davon. Zum ersten,
Philosophie ist eine fortwährende Vervollkommnung und Schärfung des
Bewusstseins von Problemen. Einst sagte Gadamer, dass der Fortschritt in der
Philosophie eben darin beruhe, dass sie immer wieder Probleme „zuzuspitzen“
versucht. Wichtiger ist jedoch das zweite Argument: es gibt viele Probleme in der Philosophie und Kultur, die ausschließlich
in der Zeit hingestellt werden. Das bedeutet, sie müssen immer wieder mit den
„neuen Zeiten” wiederkehren. Zweifelsohne gehört zu solchen Problemen auch „das
Problem der Freiheit“: es ist ein Problem, der zeitlich determiniert ist und
wird in jeder Epoche anders als in allen vorangehenden formuliert.
Solch
eine Sichtweise des Phänomens der Freiheit entspricht auch die Anlage des hier
präsentierten Bandes. Der erste Teil (Freiheit und Philosophie) enthält Texte, die philosophische Probleme
mit der Freiheit präsentieren. Der zweite Teil (Freiheit und
Religionen) zeigt religiöse Kontexte dieses Phänomens. Im Teil drei
(Freiheit und die Welt der Politik) ist die politische Präsenz des
Fundamentalismus zum Thema der Rflexion geworden.
Die
Organisatoren der Konferenz bedanken sich für das Interesse der
wissenschaftlichen Kreise, vor allem bei den Teilnehmern für die Befolgung der
Einladung zur Diskussion eines für die moderne Kultur so wichtigen Problems.
Wir hoffen, dass diese Mühe, auch wenn sie keine Lösung des Problems bedeutet
und wenn sie nicht zur Wiedererlangung der Harmonie zwischen Freiheit, dem
Guten und der Wahrheit geführt, doch zur Eröffnung der Wege zur Welt
beigetragen hat, in der „Alles erlaubt ist, aber nicht alles aufbaut” (Kor. 10,
23).