Marek Szulakiewicz

 

Einleitung

 

 

 

In einem seiner Dramen lässt J. P. Sartre seinen Helden die Worte aussprechen, die den Umfang der gegenwärtigen Diskussion über die Freiheit abstecken: „Es ist ein großer Geheimnis der Götter, dass die Menschen frei sind”. Heute ist hervorzuheben, dass dieses Geheimnis den Göttern entrissen wurde. Wie es so um Geheimnisse bestellt ist, die Kunde davon verbreitet sich sehr schnell. Der moderne Mensch weiß bereits, dass er frei ist und damit verknüpft er den Sinn seines Seins. Doch nicht jeder verträgt die Belastung durch die Freiheit, nicht jeder sieht die daraus entspringende Verantwortung, und nicht jeder versteht auch, was Freiheit ist.

Antworten der Kultur auf die Probleme mit Freiheit gibt es viele. Einerseits ist das der Fundamentalismus, der am extremsten die Umgehung der Ängste, die mit der Freiheit verbunden sind, erleichtert. Andererseits liefert der Relativismus als Negation der Wirklichkeit und das Verfallen in die Gleichgültigkeit eine andere Antwort. Eben mit der Freiheit hat die moderne Kultur ihr Schicksal an stärksten verbunden. Wenn wir unser Augenmerk der Umgangssprache, der Diskussion in Medien zuwenden, ist leicht zu erkennen, dass der Begriff „Freiheit“ sehr oft als die grundlegende Kategorie erscheint, welche die moderne Kultur charakterisiert. Dieser Begriff verdrängt die noch nicht so alten Kategorien der „Wahrheit“ und des „Guten“: die veritale Epoche verwandelte sich auf diese Art und Weise in die liberale. In der ersten davon war das Schicksal der Kultur um die Wahrheit und das Gute konzentriert, sie selbst dagegen war mit den Werten höheren Ranges gesättigt. In der zweiten Epoche bleibt bereits nur die Freiheit, die sich oft das Recht auf Vertretung aller Werte usurpiert. Es scheint, dass, wenn wir das erstgenannte verlieren, bleibt uns nur die Kategorie der „Freiheit” übrig, um die sich die moderne Kultur organisiert. Und – paradoxerweise – je weniger darin der Wahrheit und des Guten, umso mehr (so scheint es) Freiheit muss es geben. Solch eine Überzeugung von „mehr Freiheit” wird geradezu zur Forderung des modernen Menschen. Wir setzen auf Freiheit, wenn wir nicht mehr auf die Wahrheit und das Gute setzen können. Sie eben (wenn die anderen fehlen) wird zur einzigen menschlichen Kategorie, die unsere Würde zu bezeugen anfängt. Es ist jedoch zu fragen: ist das gerecht? Oft meint man, dass es genügt (und man muss) nur frei zu sein, um wirklich Mensch zu sein. Wenn der Mensch auch sie einbüßt, büßt er sich selbst ein. Daher auch jene verzweifelte Verteidigung der Freiheit und gleichzeitig Angst und Schrecken davor. Vielen scheint es, dass das schon die letzte Grenze ist, die man nicht überschreiten darf: Verteidigung der Freiheit ist Verteidigung der Menschlichkeit. In alldem gelangen zu uns immer häufiger Fragen: kann man denn frei sein ohne Wahrheit und Guten? Sind die Bemühungen beim Schützen der Freiheit nicht von vorne herein zu Misserfolg verurteilt, wenn das Gute und Freiheit fehlen? Und vielleicht sollen wir nicht die Freiheit schützen, sondern beharrlich nach Wahrheit und dem Guten suchen?

Wenn man die Freiheit verabsolutisiert und vergisst, dass sie der Realisierung anderer Werte dienen soll, wird auch zu einer großen Gefährdung für unsere Welt. Die von der Wahrheit und dem Guten losgelöste, des Sinnes beraubte Freiheit hört auf, Quelle unseres Handelns und des Bewusstseins des Seins zu sein, wird lediglich zur Art und Weise der Selbstafirmation des Individuums. Anstatt „auf den Weg” der Werte und des Sinnes einzuführen, verführt sie uns oft auf die Irrewege der Willkür.

 

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Die in diesem Band gesammelten Texte wurden auf der IV. Interdisziplinären Konferenz Probleme der modernen Kultur präsentiert. Die Konferenzen, die seit einigen Jahren vom Institut für Politologie und Institut für internationale Beziehungen der Nikolaus-Kopernikus-Universität in Toruñ veranstaltet werden, haben zur Aufgabe die Analyse der wichtigsten Probleme der modernen Kultur. In der zweiten Folge dieser Konferenz wurde eben die Freiheit zu deren Interessengebiet. Immer häufiger nämlich wird für den Menschen der modernen Kultur der Schein der absoluten Unabhängigkeit („ich kann machen was ich will”) zum Grundsatz und Sinn des Lebens. Dies führt zum scheinbaren Kampf um Freiheit, von der man nur glaubt, dass der Mensch nur jenseits der Relationen, Verknüpfungen usw. frei sein kann. Andererseits finden die Anhänger der Einschränkungen und Zwänge – indem sie eine solche Freiheit beobachten, die auf Möglichkeit des Wollens und Möglichkeit der Tat eingeschränkt ist, und indem sie darin den Unsinn der Willkür sehen - ein leichtes Argument zugunsten dessen, dass Freiheit die Sicherheit, das Vertrauen, Geborgenheit zerstört und zum Chaos führt, sowie den Menschen sich selbst überlässt. Sie wollen den Menschen solch eine Freiheit abgewöhnen, und damit Willkür und Selbstherrschaft verhindern, indem sie darin Hindernis und Gefährdung für den Menschen, Kultur und die Welt sehen. Doch diese Diskussionen und Streitgespräche entstehen, um die Mystifizierung der Freiheit, die sich in deren Erörterung, jenseits der Relationen, Verknüpfungen ausdrückt und in deren durch und durch realistischen Verständnis äußert. Eine der Aufgaben dieser Konferenz war die Wiederherstellung des eigentlichen Raumes der Diskussion über die Freiheit: es handelt sich um die Welt der Relationen. Denn die Freiheit enthält in sich immer eine Relation.  

Es gibt viele Argumente, die für die Notwendigkeit der „Rückkehr“ zum Problem sprechen. Nennen wir nur zwei davon. Zum ersten, Philosophie ist eine fortwährende Vervollkommnung und Schärfung des Bewusstseins von Problemen. Einst sagte Gadamer, dass der Fortschritt in der Philosophie eben darin beruhe, dass sie immer wieder Probleme „zuzuspitzen“ versucht. Wichtiger ist jedoch das zweite Argument: es gibt viele Probleme in der Philosophie und Kultur, die ausschließlich in der Zeit hingestellt werden. Das bedeutet, sie müssen immer wieder mit den „neuen Zeiten” wiederkehren. Zweifelsohne gehört zu solchen Problemen auch „das Problem der Freiheit“: es ist ein Problem, der zeitlich determiniert ist und wird in jeder Epoche anders als in allen vorangehenden formuliert. 

Solch eine Sichtweise des Phänomens der Freiheit entspricht auch die Anlage des hier präsentierten Bandes. Der erste Teil (Freiheit und Philosophie) enthält Texte, die philosophische Probleme mit der Freiheit präsentieren. Der zweite Teil (Freiheit und Religionen) zeigt religiöse Kontexte dieses Phänomens. Im Teil drei (Freiheit und die Welt der Politik) ist die politische Präsenz des Fundamentalismus zum Thema der Rflexion geworden.

Die Organisatoren der Konferenz bedanken sich für das Interesse der wissenschaftlichen Kreise, vor allem bei den Teilnehmern für die Befolgung der Einladung zur Diskussion eines für die moderne Kultur so wichtigen Problems. Wir hoffen, dass diese Mühe, auch wenn sie keine Lösung des Problems bedeutet und wenn sie nicht zur Wiedererlangung der Harmonie zwischen Freiheit, dem Guten und der Wahrheit geführt, doch zur Eröffnung der Wege zur Welt beigetragen hat, in der „Alles erlaubt ist, aber nicht alles aufbaut” (Kor. 10, 23).