MAREK SZULAKIEWICZ
FREIHEIT
UND DIE WELT DER POLITIK - VORWORT
Im Jahr 2004 gab Fareed Zakaria das Buch unter dem
Titel: „The Future of Freedom.
Illiberal Democracy at Home
and Aboad“ (New York 2004) heraus,
das ins Deutsche
übersetzt und unter einem
veränderten Titel: „Das Ende der
Freiheit? Wie viel Demokratie
verträgt der Mensch?“
herausgegeben wurde. Sowohl dieser
Titel, als auch das
doppelte Fragezeichen erscheinen in
der deutschen Fassung
nicht von ungefähr. Die Autoren der
Übersetzung wollten den
Zusammenhang zwischen der Demokratie
und Freiheit
hervorheben, und gleichzeitig
unterstreichen, dass es gewisse
Grenzen dieses Verständnisses gibt.
Der Zusammenhang der
Demokratie mit der Freiheit ist
lockerer als es scheint. Eine
große Gefährdung für die Idee der
Freiheit ist der Umstand,
dass der Umfang dieses Begriffes in
der modernen Kultur oft
vom politischen Kontext bestimmt
wird. Wie man leicht
ersehen kann, erlaubt dieser Kontext
eine solche Bestimmung
der Freiheit, die Möglichkeit ist,
das zu tun, was wir wollen,
ohne Einschränkungen und Eingriffe.
Der Mensch ist nicht frei
dann, wenn er nicht das tun kann,
worauf er Lust hat. Und so
usurpiert sich die im politischen
Leben bestimmte Freiheit das
Recht auf Bestimmung der Idee der
Freiheit. Politische
Lösungen „Befreiung von jeglichen Einschränkungen“,
„des
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Kampfes um Freiheit“, „um politische
Freiheiten“,
„Auflehnung gegen Einschränkungen“
werden auf Lösungen
umgesetzt: „Du kannst leben und
handeln, wie es dir beliebt“.
Keine ernstzunehmende politische
Theorie kann sich
Auslassung des Freiheitsproblems
erlauben. Etwas anderes ist
jedoch die Verschiebung der Idee die
Freiheit nur in die Welt
der Politik und Anstellen von
Versuchen, sie nur aus diesem
Gebiet heraus zu verstehen. Oft gibt
es Ansichten (z.B. H.
Arendt), dass das zutreffendste
Gebiet der Erörterung dieses
Problems eben die Welt der Politik
ist. Ihre Übertragung auf
ein anderes Gebiet muss sich immer
mit irgendwelchen
Verfehlungen verknüpfen. So geschah
es z. B. als Freiheit von
der Sphäre der Politik und der
zwischenmenschlichen
Angelegenheiten in die Sphäre der
Spiritualität, des Inneren
des Menschen, des freien Willens
übertragen wurde. Sie hat
nicht nur ihr ursprüngliches
Lebensgebiet und Charakteristiken
verlassen, sondern begann als „Zufluchtort”
für uns selbst vor
der gefährlichen Welt zu erscheinen.
Und eben dann wurde sie
zum Interessengegenstand der
Philosophie und Religion.
Solche Gedanken erscheinen nicht nur
in der Philosophie
H. Arendts. Wir haben hier
unübersehbar mit Einschränkungen
zu tun, die sich aus Erörterung der
Freiheit nur in der Sphäre
der Politik und Gesellschaft
ergeben. Diese eigentümlichen
soziopolitischen Einschränkungen
scheinen auch das Problem
der Freiheit auf das Aufzeigen der
Mühe der Befreiung (bzw.
des Sich-Befreiens) von etwas
Versklavendem zu begrenzen.
Wir begegnen hier vielen Optionen,
in denen man für
irgendwelche „Befreiung“ sorgt, für
Eroberung (Erweiterung)
des Umfangs der Freiheit, „Abschütteln
der Fesseln“,
„Befreien“ usw., wobei man allzu oft
Antwort auf die Fragen
vergisst: Wozu dies alles? Welcher
ist der Zweck der so
zuentdeckenden Freiheit? Bei der
politischen Erweiterung der
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Freiheit der Wahl verlieren sich die
Ideen und grundlegende
Probleme, und die Freiheit selbst
wird auf das Fehlen der
Tyrannei bzw. Unterdrückung reduziert.
Freiheit – bedeutet
sich befreien. Eine so verstandene
Idee der Freiheit ist nicht
imstande, den ganzen „menschlichen“
Kontext offenzulegen
und es scheint, dass es genügt, die
Einschränkungen zu
abzuschütteln, um Freiheit zu
gewinnen.
Die politische, „institutionelle“
Idee der Freiheit erfordert
immer eine Ergänzung durch eine „existenzielle“
Idee, in der
der Mensch die Antwort auf die Frage
„Wozu?“ findet. Und
aus dieser Antwort soll sich der
Sinn der Freiheit ergeben. Es
ist ausdrücklich festzustellen, dass
die Freiheit dem Menschen
nicht als politisches Wesen gehört,
sondern gehört ihm als
„Menschen“ und zwar als
Geistesmenschen. deswegen ist die
Struktur der Freiheit nicht
politisch (und kann auch nicht sein),
oder auch nicht gesellschaftlich,
sondern immer
anthropologisch, moralisch und
metaphysisch. Daher auch ist
jeder Versuch sie auf die
soziopolitische Sphäre
einzuschränken ein Versuch der
Fälschung des menschlichen
Seins, mit erheblichen Schäden für
den Menschen und seine
Welt. Aber auch schädlich für die
Politik selbst. Sie wird zum
Ziel an sich und nur ein Recht auf
Gebrauch. Solch eine
Freiheit ist auch leicht zu
verlieren.
Wenn man die moderne Kultur ansieht,
ist festzustellen,
dass eben eine soziopolitisch
gekennzeichnete Idee der Freiheit
das grundlegende Merkmal des
zeitgenössischen Ansatzes
bestimmt. Die Freiheit ergibt sich
heute nicht aus der
moralischen Sensibilität, bzw. aus
der metaphysischen Idee,
sondern aus (dem Widerstand) der
Auflehnung gegen mögliche
Unterdrückung: je weniger sich
jemand bei uns einmischt,
desto freier sind wir. Diese
Überzeugung, die der politischen
Sphäre entspringt, bestimmt die
zeitgenössische Freiheit und
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eben daher übernimmt der moderne
Mensch ihre
Charakteristik. Wir können sagen,
dass, wenn das Problem der
Freiheit in der neuzeitlichen Kultur
vom Kontext der
Naturwissenschaften beherrscht
wurde, ist in der modernen
Kultur eben die Welt der Politik
solch ein Kontext. Wenn der
erstgenannte das Phänomen der
Freiheit in das Problem der
Determinismus verwickelt hat, tut
dies der andere, indem er es
in das Problem der Willkür
verwickelt. Die falsch verstandene
Freiheit, deren Charakteristik sich
aus der politischen Sphäre
ergibt, führt quasi in Rückkopplung
zur Erosion der politischen
Sphäre selbst, in der sich die Idee
des Gemeinwohles verliert.
Zum Zweck des gesellschaftlichen
Lebens wird nur die
Erweiterung der Wahlmöglichkeit, der
Kampf um die
Unabhängigkeit von irgendwas und
Willkür. Die Politik selbst
verliert auf solche Art und Weise
ihr wichtigstes Feld: der
zwischenmenschlichen Relationen, der
Werte der
Gemeinschaft, der Gerechtigkeit, der
Verantwortung. Hannah
Arendt wusste allzu gut, dass die
politische Freiheit etwas
anderes ist als philosophische
Freiheit1. Doch nicht um die
Pflege einer solchen Unterscheidung
geht es eigentlich in der
modernen Kultur. Es geht darum, dass
die erstgenannte, die
sich auf „die Freiheit von“
beschränkt, nicht zur Vorlage bei
der Bestimmung der Freiheit selbst
wird. Die Freiheit in der
Welt der Politik ist Forderung nach
Befreiung des Menschen.
Der wesentliche Zug der Freiheit ist
jedoch nicht „Forderung
nach Befreiung“, sondern Pflicht und
Verantwortung des
Menschen für sich und die Welt.
Diese Pflicht ist jedoch vom
Gebiet der Politik nicht
ersichtlich. Deswegen soll zu einer der
fundamentalen theoretischen Fragen
das Problem werden, wie
der Mensch in die Welt der Freiheit
gelangt. Das Gelangen zur
1 Vgl. z.B. H.Arendt, Wola, Übersetzung R. Pi³at, Warszawa 1996,
S. 275.
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Freiheit über die Welt der Politik
scheint nicht der beste Weg
zu sein.